Das Blasenschmerzsyndrom ähnelt in seiner Symptomatik einem Harnwegsinfekt. Häufig treten zusätzlich Begleiterkrankungen auf, weshalb die Erkrankung als Syndrom bezeichnet wird. Manche Patient*innen warten manchmal Jahre, bis sie Gewissheit über die Ursachen ihrer Schmerzen erhalten und eine geeignete Behandlung eingeleitet werden kann. Eine sorgfältige Diagnose ist daher enorm wichtig.
Im Wesentlichen hat die Blase zwei wichtige Aufgaben: Sie muss Harn, der von den Nieren produziert wird, speichern und ihn anschließend über die Harnröhre abgeben. Sie ist also ein Speicherorgan, wobei ihr Speichervolumen etwa 300 bis 500 ml beträgt. Im Schnitt produziert der Körper 1,5 Liter Harn pro Tag. Um diese Menge auszuscheiden, wären also drei bis fünf Toilettengänge am Tag nötig. Bei einer höheren Trinkmenge erfolgen natürlich entsprechend mehr Blasenentleerungen.
Die Funktion der Blase unterliegt einem komplexen Regelkreislauf zwischen Gehirn, Rückenmark, Blase, Schließmuskeln sowie Nervensignalen und Hormonen. Dadurch kann der Zeitpunkt der Blasenentleerung (Miktion) selbst bestimmt werden, auch wenn die Blase stark gefüllt ist. Dann werden wir von einem Nervenimpuls, der von der Blasenwand ausgesendet wird, darüber informiert, dass die Blase entleert werden sollte. Dieser Impuls wird nun an das Rückenmark weitergeleitet.
Das Zusammenziehen (Kontraktion) des Blasenmuskels (Detrusor) wird über das vegetative Nervensystem reflexartig gesteuert. Das bedeutet, dass wir diese Reflexe nicht willentlich beeinflussen können. Damit Harn aber nicht unkontrolliert abfließen kann, können wir den äußeren Schließmuskel (Sphinkter) aktiv an- und entspannen. Dieser Ringmuskel bildet einen Teil der Beckenbodenmuskulatur, weshalb ein gutes Training in diesem Bereich einer Blasenentleerungsstörung vorbeugen kann. Das feine Zusammenspiel von Nervensignalen und Muskeln erklärt auch, warum es bei vielen Nervenerkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Rückenmarksverletzungen oder Schlaganfall zu sogenannten neurogenen Blasenfunktionsstörungen kommen kann.
Bei einem Blasenschmerzsyndrom handelt es sich um eine nicht-infektiöse chronische Harnblasenerkrankung, bei der keine bakterielle Infektion zugrunde liegt. Aus diesem Grund sind Antibiotika bei dieser Erkrankung wirkungslos. In der Literatur werden auch die medizinischen Begriffe "IC" (Interstitielle Cystitis), "PBS" (Painful Bladder Syndrome) und "BPS" (Bladder Pain Syndrome) verwendet. Veränderungen in der Blasenwand können chronische Entzündungen hervorrufen.
Die genauen Ursachen sind noch nicht genau erforscht. Mediziner vermuten einen Immun- und Barrieredefekt im Gewebe der Harnblase, wobei insbesondere die Schleimhaut (Urothel) betroffenen ist, die die Harnblase von innen auskleidet. Wenn diese Schleimhaut ihre Funktion als Abwehrsystem nicht mehr erfüllen kann, kann sie keinen Schutz mehr vor dem Urin bieten, der sich in der Harnblase befindet. Somit können zellschädigende Substanzen, die sich im Urin befinden, in tiefere Gewebeschichten eindringen und dort Entzündungen mit Schwellungen und Reizungen hervorrufen.
Diese Gewebeschäden wiederum rufen weiße Blutkörperchen (Leukozyten) herbei, die die Entzündungen noch zusätzlich anfachen und die Schmerzempfindlichkeit erhöhen können. In der Folge wird die Schleimhaut zunehmend durchlässiger und es finden Umbauvorgänge in der Blasenwand statt, wodurch sich das Fassungsvermögen der Blase mit der Zeit verkleinern kann. Außerdem scheint es Veränderungen in der Bakterienzusammensetzung (Mikrobiom) im Urin bei Patient*innen mit Blasenschmerzsyndrom zu geben. Die mikrobielle Vielfalt war in einer Studie gegenüber Gesunden reduziert und die Bakteriengattung Lactobacillus trat häufiger auf. Bereits 2014 widerlegten Wissenschaftler*innen die Theorie, dass Urin per se steril sei.
Patient*innen verspüren starke, oftmals krampfartige Blasenschmerzen, häufigen Harndrang und müssen ihre Blase bis zu 50 Mal am Tag entleeren. Folgende Leitsymptome sind typisch für eine chronische Blasenentzündung:
Neben starken Schmerzen treten häufig Begleiterkrankungen auf. Zeitgleich können aber auch Begleiterkrankungen wie Reizdarmsyndrom, Fibromyalgie, migräneartige Kopfschmerzen, allgemeine Erschopfung sowie neurologische, rheumatologische und mentale Erkrankungen das Leben der Betroffenen zusätzlich erschweren. Häufig treten auch Allergien und Autoimmunerkrankungen, wie z. B. chronisch entzündliche Darmerkrankungen auf. Diese teilweise sehr starken Schmerzen können über Monate andauern und in Art und Häufigkeit des Auftretens wechseln.
Das chronische Blasenschmerzsyndrom kann in jedem Alter auftreten, wobei meist Personen mittleren Alters betroffen sind. Allerdings erkranken Frauen etwa neunmal mehr als Männer. Die Erkrankung wird nur selten diagnostiziert, was an deren großen Ähnlichkeit mit anderen Harnwegs- und Blasenerkrankungen liegt. Im Schnitt dauert es neun Jahre vom Zeitpunkt des Auftretens der ersten Symptome bis zur Diagnosestellung, wie eine Patientenbefragung ergab.
Außerdem gab die Hälfte der Patient*innen an, dass sie mehr als 20 Mal einen Arzt aufsuchten, bis die richtige Diagnose gestellt wurde. Eine bakteriell bedingte Blasentzündung, die ähnliche Symptome verursacht, wird beispielsweise mit Antibiotika behandelt. Liegt unter Umständen zeitgleich ein bakterieller Infekt vor, können sich die Schmerzen durch die Antibiotikaagabe zunächst lindern, jedoch wird die Ursache der chronischen Blasenentzündung damit nicht behandelt und bleibt weiter bestehen. Da eine Vielzahl anderer urologischer Krankheitsbilder ähnliche Symptome mit sich bringen, ist eine umfangreiche Diagnostik notwendig, um andere Ursachen auszuschließen. Weitere Erkrankungen, mit denen eine chronische Blasenentzündung oft verwechselt wird, sind:
Eine Leitlinie wurde 2018 von Experten unter Mitarbeit des Vereins ICA-Deutschland e.V. erstellt, um die Diagnose zu vereinfachen, die in den meisten Fällen beim Urologen durchgeführt wird. Dieser zufolge sollte die Diagnose neben der körperlichen Begutachtung und der Aufnahme der Vorgeschichte (Anamnese) folgende Untersuchungen umfassen:
Eine Blasenspiegelung kann die Diagnose erhärten. Bei der Dehnung der Blase durch Kochsalzlösung entstehen im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung punktförmige Schleimhauteinrisse und Blutungen (Glomerulationen), die typisch sind für eine chronische Schleimhautentzündung. Zudem finden sich narbige Veränderungen an der Schleimhaut, die zu einer Verdickung der Blasenwand führt. Dadurch verliert sie an Elastizität und die Blasenkapazität verringert sich. Bei einem geringen Teil der Patient*innen wird ein Geschwür entdeckt, das nach seinem Entdecker als Hunner-Ulcus bezeichnet wird. Allerdings kann es vorkommen, dass auch die Blasenspiegelung keine ausreichenden Hinweise liefert.
Die Behandlung des Blasenschmerzsyndroms fußt auf mehrere Säulen und wird individuell an jede Patientin und jeden Patienten angepasst. Folgende Übersicht orientiert sich an der Patienteninformation der Deutschen Gesellschaft fur Urologie. Am Anfang jeder Behandlung steht die umfassende Information der Betroffenen über dieses sehr diffuse Krankheitsbild. Häufig geht eine lange Leidensgeschichte der Diagnose voraus und das Wissen um mögliche Entstehung und Behandlungsmöglichkeiten bieten eine große Erleichterung und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Patient*innen aktiv an der Therapie mitwirken. Dies wird wissenschaftlich als Compliance bezeichnet.
Häufig stehen Schmerzen in der Blasenregion in Zusammenhang mit einem überaktiven Beckenboden. Spezielle Entspannungstechniken, angeleitet durch ausgebildete Beckenboden-Physiotherapeuten, können sehr hilfreich sein. Zusätzlich kann eine Unterstützung durch Biofeedback und myofasziale Techniken den Tonus der Beckenbodenmuskulatur senken und die Muskelarbeit verbessern.
Zurzeit ist ein Arzneimittel zur Behandlung einer Interstitiellen Zystitis in Deutschland zugelassen, welches bei chronischen Blasenschmerzen und häufigem Wasserlassen verordnet werden kann, wenn Veränderungen der Blasenwand (Hunner-Läsionen oder Glomerulationen) festgestellt wurden. Das Medikament mit dem Wirkstoff Pentosanpolysulfat stärkt die Schleimhautschicht der Blasenwand, damit schädliche Substanzen aus dem Urin die Blasenwand nicht mehr passieren können.
Außerdem stehen Medikamente aus dem Bereich der tri- und tetrazyklische Antidepressiva zur Verfügung, um Schmerzen zu lindern und die Häufigkeit der Toilettengänge zu reduzieren. Allerdings muss hier beachtet werden, dass Wirkstoffe dieser Arzneimittelklasse auch den Abbau von Histamin im Körper verhindern und somit den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen können. Hinsichtlich der Behandlung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten können Antihistaminika verabreicht werden. Weitere Behandlungsmöglichkeiten stellen die Electromotive Drug Administration (EMDA®), Harnblasenspülungen mit verschiedenen Substanzen wie Hyaluron oder Heparin oder eine Schmerztherapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und Morphinderivaten sowie die Einbringung von Betäubungsmitteln (Lokalanästhetika) dar. Als letztmögliche Option gilt ein operativer Eingriff, bei der die Harnblase erweitert (Harnblasenaugmentation), ersetzt oder entfernt (Zystourethrektomie) wird.
Hierzu zählt die Akupunktur, die Mikrobiologische Therapie und die Neuraltherapie, bei der Betäubungsmittel in den Hautbereich oberhalb der Blase injiziert werden. Bei nachgewiesenen Storungen der Darmschleimhautbarriere und bestehenden Mikronahrstoffdefizite, werden eine mikrobiologische oder orthomolekulare Therapie mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen angeboten.
Wenn du mehr als sechs Monate unter Schmerzen im Blasenbereich, häufigem Harndrang und Wasserlassen leidest, könnte ein chronisches Blasenschmerzsyndrom (interstitielle Zystitis) vorliegen. Um jahrelanges Verschleppen der Diagnose zu verhindern, solltest du dich an einen Urologen wenden und die Beschwerden gezielt ansprechen. Je eher die Behandlung beginnt, desto kürzer der Leidensweg und die Einschränkungen im Alltag. Neben der konservativen, medikamentösen, operativen und komplementären Behandlung, kannst du auch selbst aktiv werden, um die Beschwerden zu lindern. Denn einige Änderungen im Lebensstil und bei den Ernährungsgewohnheiten können schon eine merkliche Linderung verschaffen. Dazu zählen:
Das Blasenschmerzsyndrom oder die interstitielle Zystitis stellt sowohl für Patienten als auch Therapeuten eine große Herausforderung dar. Die Ursachen sind noch nicht vollständig geklärt und die Diagnose gestaltet sich schwierig. Häufig haben Patient*innen einen langen Leidensweg hinter sich, bevor sie die Diagnose erhalten. Daher sollte die Behandlung breit aufgestellt sein, und individuell angepasst werden. Daneben haben Patient*innen aber auch einige Möglichkeiten, selbst für Linderung ihrer Beschwerden zu sorgen. Wichtig ist außerdem, sich anderen Betroffenen anzuvertrauen und auch im direkten sozialen Umfeld Unterstützung zu suchen.
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